Gedankenfragment 1

Die Aussage: "Ich trinke keinen Alkohol!", ist nur die halbe Wahrheit.
Richtig müsste die Aussage lauten: "Ich kann keinen Alkohol trinken!"
Nicht: "Ich darf oder ich will nicht! Nein, ich kann es nicht!"
Dass ich mit Alkohol nicht umgehen kann, habe ich mir über Jahrzehnte bewiesen. In dieser Zeit habe ich versucht den Alkohol unter meine Kontrolle zu bringen. Diese Kontrolle war nur nicht gegeben, wenn ich trank, kontrollierte Er, der Alkohol, mich. Es dauerte fast ein halbes Leben, bis ich diese Tatsache anerkennen konnte. Nicht ich kontrolliere den Alkohol, der Alkohol kontrolliert mich! 
Kämpfe gingen dieser Einsicht voraus. Kämpfe, die mich immer wieder in schmerzliche Niederlagen führten.
Mit meinem Willen stellte ich irgendwann fest, war hier nichts zu erreichen. War nichts zu erzwingen. Wichtig war, dass ich kapitulierte, dass ich anerkannte: "Ich werde diesen Stoff nicht unter meine Kontrolle bringen! Ich werde nie genussvoll trinken lernen!"
Hatte ich doch über Jahrzehnte versucht genussvoll zu trinken. Musste ich hierbei immer wieder erleben, dass dieses nicht möglich ist. Der Gedanke, heute ein Glas Wein zum Mittagessen, wurde immer wieder durch die Tatsache des völlig betrunken seins ad absurdum geführt. Wie oft landete ich nach solch einen Gedanken in der Ausnüchterungszelle. Landete ich total besoffen in der Gosse.
Nicht dass ich nicht versucht hätte normal, was immer das in unserer Gesellschaft bedeutet, zu trinken. Dieses kann ich mir nicht vorwerfen. 
Erst im Anerkennen der Unmöglichkeit Alkohol unter meine Kontrolle zu bringen trat Frieden in mir ein.
Löste sich mit dieser Erkenntnis mein Problem. Das heißt nun nicht, dass ich nicht hin und wieder den Wunsch verspüre normal trinken zu wollen. Sicherlich besitzt der Gedanke ein Glas Wein zum Essen genießen zu können seinen Reiz. 
Durch die Erkenntnis das "mir" dieses eine Glas nicht möglich ist, dass dieses eine Glas mich wieder zu einer Flasche, zu einer Kiste führt, kann ich diesen Gedanken gefahrlos denken. 
Ich weiß, ein Wissen welches über meinen Verstand hinausgeht, dass mir ein "normales trinken" nicht möglich ist und diese Erkenntnis gibt mir inneren Frieden.

von Klaus D. Wehmeier